400 Jahre Friedrichstadt
3. Jacobus Arminius und die Vertreibung der Remonstranten
Der Titelheld unseres heutigen Beitrages ist Jacob Hermann. Sein Porträt finden Sie als Beitragsbild. Jacob Hermann gehört zu jenen Mannen, welche großen Einfluss auf die Entstehung und die Geschichte von Friedrichstadt genommen haben. Und das, obwohl er von 1560 bis 1609 lebte, zur Gründung der Stadt also bereits lange tot war. Wie das? Nun, der Niederländer Jacob Herman, welcher seinem Beruf als Theologe unter dem lateinischen Künstlernamen Jacobus Arminius nachging, war der Begründer einer Glaubensrichtung, die man zunächst als Arminianismus kannte. Deren Anhänger gingen später als Remonstranten in die Kirchengeschichte ein. Und genau diese Remonstranten waren es, welche von Herzog Friedrich III. dazu auserkoren wurden, Friedrichstadt aufzubauen.
Der Lebensweg des Jacob Hermann
Die Geschichte von Jacob Hermann ist eine komplizierte, weshalb wir uns auf das Wesentliche konzentrieren wollen: Jacob Hermann gelangte dank seines wachen Geistes und eines Gönners, dem dies nicht entgangen war, zu einer umfassenden Ausbildung, welche ihn an viele führende Universitäten seiner Zeit geführt hat: Utrecht, Rotterdam, Marburg, Leiden. Genf und Basel. Nach seinen Wanderjahren etablierte er sich just in jener Zeit als Pfarrer in Amsterdam, da in der dortigen Kirche ein Streit entflammte, ob die Auffassung Calvins bezüglicher der Prädestination absolut zu verstehen sei, oder ob es da vielleicht einen Interpretationsspielraum gäbe.
Um diese heikle Frage zu klären, beauftragte ihn der Kirchenvorstand mit einer Widerlegung der bedingten Auslegung des Calvinismus. Also stürzte er sich in das Bibelstudium. Bei seinen Recherchen kam er allerdings zunehmend in einen Gewissenskonflikt, denn die Argumente, welche er eigentlich widerlegen sollte, überzeugten ihn mehr und mehr. Es kam, wie es kommen musste. Jacob Hermann bekam Stress mit seinen Vorgesetzten und nutzte deshalb eine sich bietende Chance, Amsterdam wieder zu verlassen, um als Professor für Theologie in Leiden zu lehren.
Glaubensstreit um ein unbeweisbares Dogma
Dort angekommen dauerte es allerdings nicht lange, bis er sich mit seinem Kollegen Gomarus anlegte, der in Sachen Prädestinationslehre eine äußerst konservative Sicht an den Tag legte. Der Streit eskalierte, es kam zu verschiedenen Lehrgesprächen, doch eine Einigung brachten diese nicht. Erst die Dordrechter Synode von 1618/1619 brachte 9 Jahre nach dem Tod von Jacobus Arminius zumindest eine formale Klärung: Die reformierte Kirche widersprach den Thesen des Jacobus Arminius, was zur Folge hatte, dass es für seine Anhänger (den Arminianern) ab diesem Zeitpunkt innerhalb des niederländischen Calvinismus keinen Platz mehr gab.
Woher stammt der Name Remonstranten?
Die Arminianer hatten zu Beginn der Synode eine Protestschrift mit fünf Leitsätzen eingereicht und damit remonstriert (lateinisch remonstrare = vorzeigen).
Worum ging es bei dem Streit zwischen den Calvinisten und den Remonstranten?
Um zu verstehen, worüber sich die Anhänger der beiden Glaubensrichtungen stritten, seien hier die von den Remonstranten angeführten fünf Punkte kurz beleuchtet:
Freier Wille
Die Arminianer glauben, es liege in der Entscheidung des einzelnen Menschen, ob er sich Gott hingebe oder eben nicht.
Calvinisten glauben, dass diese Entscheidung allein bei Gott liege.
Bedingte Auserwählung
Die Remonstranten vertreten die Vorstellung, der Mensch könne durch seine Hinwendung zu Gott und ein gottgefälliges Leben auf die Auserwählung Einfluss nehmen.
Die Calvinisten vertreten dagegen die These, dass der Plan Gottes schon seit Anbeginn der Zeit alles vorbestimme. Wer auserwählt sei und wer nicht, sei also vorgegeben. Der Mensch habe darauf keinen Einfluss.
Unbeschränkte Versöhnung
Die Remonstranten berufen sich auf den Bibeltext Luthers, in welchem durch Jesus Christus eine unbeschränkte Versöhnung mit Gott möglich sei.
Aus der Sicht der Calvinisten bezieht sich diese Versöhnung nur auf die vorher Auserwählten (Heiligen).
Der zweite Paulusbrief an die Korinther, Kap.5, Verse 18 bis 21
Widerstehliche Gnade
Gottes Ruf, erlöst zu werden, kann widerstanden (abgelehnt) werden.
Die Arminianer glauben, der Mensch könne durch eigene Anstrengung Rettung und Frieden finden.
Die Calvinisten finden dazu in der Bibel keinen passenden Beleg, sondern lediglich Stellen, in denen Gott allein entscheidet.
Abfall der Heiligen
Die Remonstranten billigen dem Menschen die Fähigkeit zu, vom Glauben abzufallen und sich so die Gunst des ewigen Lebens zu verscherzen.
Die Calvinisten hingegen glauben, dass die Auserwählten (Heiligen) tun und lassen können, was immer sie wollen, sie würden die Liebe Gottes nicht mehr verlieren,
Abspaltung, Verfolgung, Auswanderung
Die Synode von Dordrecht führte also zu keiner Annäherung oder Einigung, sondern zu einer Ausgrenzung der Remonstranten. Diese gründeten in der Folge eine eigenständige Kirche, welche sogar über die Thesen des Jacobus Arminius hinausgehend, fortan alle Dogmen ablehnte.
Für die Remonstranten hatte diese Abspaltung massive Folgen. Und zwar nicht, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre, im Jenseits, sondern ganz konkret im Diesseits. Sie wurden innerhalb der niederländischen Gesellschaft ausgegrenzt, schikaniert, verfolgt, körperlich misshandelt und zum Teil sogar getötet. Neben ihrer körperlichen Unversehrtheit war auch ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet. Die Anhänger der Remonstranten waren mit ihrer Lebenssituation mehr und mehr unzufrieden.
Da die meisten Remonstranten zu den wohlhabenden, gebildeten Kaufleuten des gehobenen Bürgertums zählten, dauerte es nicht lange, bis die ersten Headhunter auf der Bühne erschienen, um ihnen einen möglichen Ortswechsel schmackhaft zu machen. Die meisten verlegten ihren Wohnsitz daraufhin in Richtung Göteborg, Glücksstadt oder Altona. Vergleichsweise wenige fanden hingegen das Angebot eines Herzogs aus Gottorf attraktiv genug, welcher ihnen zwar das Blaue vom Himmel versprach, im Grunde aber nichts anderes zu bieten hatte als Glaubensfreiheit, Steuererleichterungen und das Recht, eine Stadt ganz nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen aufzubauen. Sie zogen trotzdem hin und schufen Ansehnliches. Unter anderem den weltweit ersten Sakralbau der Remonstranten.