400 Jahre Friedrichstadt

11. König Christian IV. und der Niedersächsisch-Dänische Krieg

Der 30jährige Krieg wird gerne vereinfachend als eine Art Höhepunkt der Gegenreformation beschrieben, mit den reformierten Kräften auf der einen und den römisch-katholischen auf der anderen. Tatsächlich ist die Sachlage aber sehr viel komplizierter, weil sich zahlreiche Parteien mit völlig gegensätzlichen Beweggründen an den kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligten. Wer sich dabei gerne rausgehalten hätte, war der Friedrichstädter Stadtgründer Herzog Friedrich III. Dass es ihm am Ende aber trotzdem nicht gelang, lag an seinem Lehnsherrn, dem dänischen König Christian IV. Bevor wir uns mit den Folgen beschäftigen, welche der 30jährige Krieg für Friedrichstadt hatte, möchten wir ein ganz kurzes Schlaglicht auf den dänischen König Christian IV. werfen.

Machtkampf um die Ostsee

Im späten Mittelalter bildeten Norwegen, Dänemark und Schweden eine Union, um sich gegen den wachsenden Einfluss der Deutschen in der Ostsee-Region zur Wehr zu setzen. Anfänglich dominierten die Dänen den Bund, weil sie hinsichtlich Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl den übrigen Bundesgenossen überlegen waren. Doch als die Schweden begannen die vorhandenen Rohstoffe des Landes auszubeuten, verschob sich das Kräftegleichgewicht zunehmend. Die Union zerbrach und ein Wettstreit um die Vorherrschaft in der Nordsee begann. Ein Streit, welcher nicht nur in direkten kriegerischen Auseinandersetzungen mündete, sondern auch indirekt geführt wurde. Etwa, indem man vorsorglich Positionen besetzte, um zu verhindern, dass die Konkurrenz einen Fuß in die Türe bekäme.

Genau dies dürfte die (Haupt-) Motivation von Christian IV. gewesen sein, sich als eine Art Schutzmacht des evangelischen niedersächsischen Kreises anzubieten, nachdem dieser durch Erfolge der kaiserlichen Truppen stark unter Druck geraten war.

Mittelmacht Dänemark

Aus heutiger Sicht scheint es kaum vorstellbar, dass ausgerechnet die Dänen als Schutzmacht auftreten konnten. Um das nachvollziehen zu können, müssen wir uns in die Zeit der Stadtgründung von Friedrichstadt zurückdenken. Damals lagen die Dinge noch anders:

Der dänische König Christian IV. war einer der wenigen kapitalkräftigen Herrscher Europas. Sein Vermögen hatte er drei günstigen Umständen zu verdanken:

  • Einer produktiven Landwirtschaft, die Überschüsse produzierte, welche man exportieren konnte.
  • Einem gewonnenen Krieg gegen die Schweden, welcher einmalige und wiederkehrende Reparationszahlungen auslöste.
  • Einer strategisch günstigen Lage. Sie erlaubte es den Dänen, hohe Zölle zu erheben und so einen großen Teil der Wertschöpfung des Handels im Ostseeraum abzuschöpfen. Um diese Zollrechte ausüben zu können, bedurfte es einer starken Marine, welche mit den Mitteln aus den Zöllen auch stetig ausgebaut wurde.

Gegensätzliche Interessen

Wenn man dies weiß, fällt es einem nicht schwer, nachzuvollziehen, weshalb es zwischen den Skandinaviern (das Königshaus Dänemark-Norwegen auf der einen und Schweden/Finnland auf der anderen Seite) zu einer ungesunden Rivalität kam. Die Dänen hatten kein Interesse daran, dass der Einfluss der Schweden um die Ostsee wachsen würde, weil dies automatisch ihre eigene vorteilhafte Position in Frage stellen würde. Deshalb investierten sie viel in die Verteidigung ihrer Stellung.

Die Schweden wiederum sahen das naturgemäß ganz anders. Sie litten nicht nur unter der Belastung der Kriegsentschädigung, sie verloren auch Erträge aus dem Handel mit ihren Erzvorkommen, weil die Dänen den Schiffen hohe Zölle abforderten. Kein Wunder also, dass sie Verbündete suchten und diese auch in den niederländischen Händlern fanden.

100 Geschichten zu 400 Jahre Friedrichstadt Christian IV. König von Dänemark und Norwegen

Christian IV. König von Dänemark und Norwegen

Keine Frage: Christian IV. ist nicht deshalb Teil des 30jährigen Krieges geworden, weil er seinen reformierten Glaubensbrüdern (Schwestern spielten zu jener Zeit noch keine Rolle…) beistehen wollte. Er hatte in erster Linie seine eigenen Interessen im Sinn. Etwa den Ausbau seiner Macht im Norden des Kaiserreiches.

Und hier kommt Friedrich III. Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf ins Spiel.

Herzog Christian IV. von Holstein

Christian IV. war nämlich nicht nur König von Dänemark und Norwegen, sondern auch Herzog von Holstein und als solcher Lehnsnehmer des Kaisers. Und Mitglied des niedersächsischen Kreises.

Hinsichtlich seiner Holsteinischen Besitztümer verfolgte Christian IV. schon seit Jahren eine aggressive Stiftspolitik, die darauf zielte, sich die Kontrolle über die säkularisierten protestantischen Stifte zu verschaffen. Bereits 1603 war der jüngere Bruder Christians IV. zum Fürstbischof in Schwerin gewählt worden. Ab 1615 versuchte Christian IV., die Wahl seines Sohnes Frederiks in nicht weniger als vier Stiften durchzusetzen: dem Erzbistum Bremen sowie den Bistümern Verden, Osnabrück und Halberstadt. Der jüngere Sohn Ulrik war als Nachfolger seines Bruders in Schwerin vorgesehen.

Sein Bestreben, sich die Hansestadt Hamburg einzuverleiben, scheiterte zwar, aber mit seiner Stiftspolitik und der Gründung von Glückstadt versuchte er trotzdem, sich Zolleinnahmen auf Elbe und Weser zu sichern.

Dänischer Reichsrat vs. König Christian IV.

Kein Wunder also, dass zuhause der Reichsrat, welcher eher an einem kooperativen Verhältnis zu Schweden interessiert war, die Aktivitäten des Königs misstrauisch beobachtete und ihm die notwendigen Mittel versagte, um sich am Kriegsgeschehen zu beteiligen. Als Herzog Christian IV. war er in seinem Handeln freier. Entsprechend trat er als solcher in den Krieg ein, was aber seine Möglichkeiten deutlich einschränkte. Jetzt war er zu einem guten Teil auf die Unterstützung von außen angewiesen. Solche erwartete er auch von Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf.

Dieser sah sich durch diese Erwartungen plötzlich zwischen allen Stühlen. Denn Christian IV., sein Lehnsherr im Norden (Schleswig) forderte ihn auf, gegen seinen Lehnsherrn im Süden, den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, in den Krieg zu ziehen. Aber der Loyalitätskonflikt war nicht das einzige Problem von Friedrich III. Ihm standen weder ein stehendes Heer noch die Mittel, ein solches zu finanzieren, zur Verfügung. Mit anderen Worten: Er saß ziemlich tief in der Tinte.

Nicht mitgegangen und trotzdem mitgehangen

Herzog Friedrich III. versagte seinem Vetter, dem dänischen König, trotz einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung, welche gegenseitige Unterstützung zusagte, die erhoffte Unterstützung. Vergeblich. Als Christian IV. militärisch den Bogen überspannte und von den Truppen Tillys und Wallensteins besiegt wurde, geriet er mit ihm gemeinsam in den Strudel. Trotz seiner Bemühungen, sich hinter dem Rücken des dänischen Königs mit den kaiserlichen Kräften zu verständigen – u.a. bot er den kaiserlichen Truppen Friedrichstadt an – blieb sein Reich nicht von den üblichen Folgen einer militärischen Besetzung verschont.

Aber die Folgen der Bemühungen von Herzog Friedrich III., sein Reich aus dem 30jährigen Krieg und seinen katastrophalen wirtschaftlichen Folgeerscheinungen rauszuhalten, bildeten den Keim des Niedergangs der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf. Sein dänischer Lehnsherr verzieh ihm diesen Verrat nie. Das Verhältnis zwischen Gottorf und der dänischen Krone war tief zerrüttet. Mit einschneidenden Folgen für die Herzogsfamilie, das Land und Friedrichstadt.

 

Schleswig Holstein Gottorf

Schleswig-Holstein um 1622

Betrachtet man die Aufteilung des Herrschaftsgebietes von Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf zur Zeit des 30jährigen Krieges, zeigt sich, wie zerstückelt das Herzogtum war. Es macht auch klar, weshalb der Herzog nicht daran glaubte, es verteidigen zu können.

Tilly und Wallenstein hatten kein Interesse daran, die Gottorfer zu verschonen. Auf dem Wasser waren die Dänen den kaiserlichen Truppen nach wie vor überlegen. Sie waren deshalb gezwungen, den Landweg zu beschreiten. Dumm für das Herzogtum (und Friedrichstadt), dass kein Weg an ihm vorbeiführte. Da halfen am Ende alle Bemühungen von Friedrich III. nichts.

Legende: Rosa: königlicher Anteil; gelb: herzoglicher Anteil; grün: die gemeinschaftliche regierten Güterdistrikte und Adeligen Klöster.

Das verlorene Paradies

Geschichte wird leider meist aus der Perspektive der Eliten gezeichnet. Entsprechend wenig Information erhält man bei der Lektüre von Geschichtsdarstellungen über das „normale Leben“. Man erfährt kaum etwas von den Lebensumständen der Bauern, Handwerker, Händler und den vielen anderen, welche eine Gesellschaft abbilden.

Wenn man sich ein Bild von der Zeit machen möchte, empfehlen wir das Buch „Das verlorene Paradies“ Europa 1517-1648 von Mark Greengrass. Zwar aus einer eher englischen Perspektive geschrieben, vermittelt es trotzdem eine plastische Darstellung der sozialen Lebensbedingungen der Zeit, der Kriege, Friedenszeiten und Staatsaktionen.

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