400 Jahre Friedrichstadt

4. Die Welt von Friedrich III.

Frederik befand sich gerade auf einer ausgedehnten Reise durch Europa, um seiner Ausbildung im höfischen Benehmen den letzten Schliff zu geben, als ihn im französischen Angers die Nachricht vom überraschenden Tod seines Vaters Johann Adolf ereilte. Frederik ließ sofort seine Koffer packen und reiste zurück in seine Heimat, wo man ihn auf Schloss Gottorf sehnlichst erwartete. Schließlich war er auserkoren, seinem Vater als Herzog von Schleswig-Holstein-Gottorf zu folgen. Eine abgekartete Sache, denn sein Vater hatte dafür gesorgt, dass dafür keine Wahl unter den Ständen notwendig war, sondern es ausreichte, der Erstgeborene des Herzogs zu sein. Und das war Frederik, welcher fortan unter dem Namen Friedrich III. Geschichte schrieb.

Vermutlich stellte der Name Friedrich III. eine Würdigung seines Großvaters mütterlicherseits dar, Friedrich II., seines Zeichens dänischer König. Aus dieser Richtung kam auch der Wind, welcher fortan durch die Gemäuer des Gottorfer Schlosses wehte. Denn zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters war Frederik noch nicht mündig, sondern zarte 18 Jahre alt. Entsprechend lag es an seiner Mutter bis zu seiner Mündigsprechung dafür zu sorgen, dass die Dinge am Hof ihre Ordnung hatten. Und unter Ordnung verstand die lutherisch orthodoxe Witwe Augusta in erster Linie, dass in religiösen Belangen die reine Lehre gelebt wurde. Das ist insofern von Bedeutung, als damit Glaubensrichtungen, welche nicht den Lehren Luthers entsprachen, vom Hof gedrängt und ihr Einfluss auf das Herzogtum begrenzt wurden.

Doch auch ohne den religiösen Eifer seiner Mutter stand Friedrich III. vor großen Herausforderungen.

Zwischen allen Stühlen

Es dürfte ihm rasch klar geworden sein, dass das Erbe, welches er angetreten hatte, kein leichtes war:

Schleswig Holstein GottorfDas Gebiet, über welches er herrschte, war sowohl geographisch als auch politisch zerfleddert. Teile des Territoriums in Schleswig waren ein Lehen des dänischen Königs, andere im Süden zählten zum Heiligen Römischen Reich und waren somit Teil des Kaiserreiches.

Doch selbst wenn seine Regentschaft nicht durch politische und religiöse Fliehkräfte geprägt gewesen wäre, hätte seine Ausgangslage günstiger sein können: Denn es fehlte dem herzoglichen Haushalt an Einnahmen.

Zum einen, weil die wirtschaftlich goldenen Zeiten schon rund hundert Jahre zurücklagen. Schleswig-Holstein war ein klassischer Agrarstaat. Stark in der Produktion, aber praktisch bedeutungslos in der Verarbeitung. Zudem drohte das Herzogtum den Anschluss an den Handel zu verlieren, als sich die Gewichte von der Ostsee in Richtung Westsee (Nordsee) und dem von niederländischen Unternehmern beherrschten Überseehandel verlagerten.

Die noch vorhandenen Einnahmen waren zum Teil verpfändet oder der Verwandtschaft zugesprochen. So beanspruchte die Witwe Husum, das Amt Trittau und einige Harden an der Westküste mit dem Schloss vor Husum als Witwenversorgung für sich.

Friedrichs Masterplan

Wollte Friedrich III. seinen Handlungsspielraum vergrößern, musste er handeln. Und das tat er denn auch auf verschiedenen Ebenen.

Als Herzog modernisierte er die Verwaltung seines Staates. Heute würde man wohl von einer Reorganisation sprechen. Er führte eine zeitgemäße Form der Buchhaltung ein, besetzte seinen Beamtenapparat nicht mit adeligen Günstlingen, sondern mit juristisch ausgebildetem Fachpersonal aus bürgerlichen Kreisen. Dabei verschlankte er die administrativen Prozesse, indem er sie zentralisierte.

Er suchte nach Wegen, die Produkte seines Herrschaftsgebietes besser, schneller und günstiger vermarkten zu können. Um sich die Region der aufstrebenden Nordseestaaten und den Überseehandel zu erschließen, fehlte ihm ein geeigneter Hafen. Husum und Tönning, welche an der Nordsee lagen, waren dafür nicht geeignet. Also entschied er sich, einen neuen Hafen und einen dazu passenden Handelsplatz zu bauen: Friedrichstadt.

Ein eigener Handelsplatz im Westen hatte auch den Vorteil, dass der Import von Gütern aus den besagten Regionen schneller, zuverlässiger und günstiger erfolgen konnte. Um dieses Ziel zu erreichen, reichte es aber nicht aus, eine sichere Schiffsanlegestelle zu schaffen. Eher wichtiger war es, die dazu gehörige Handelsflotte zu akquirieren. Dazu waren das notwendige Personal, die unabdingbaren Beziehungen und viel Kapital notwendig. Alles Dinge, welche Friedrich III. nicht zur Verfügung standen. Deshalb ließ er sich auf den Plan ein, in Friedrichstadt Niederländer anzusiedeln.

Das Unternehmen wurde zum Erfolg. Vielleicht nicht zu dem Erfolg, den man sich in den kühnsten Träumen erhofft hatte, aber zweifellos zu einem, der die realistischen Möglichkeiten durchaus ausschöpfte.

War Friedrich III. ein größenwahnsinniger Versager?

Zuweilen bekommt man den Eindruck, die öffentliche Meinung über den Herzog beruhe heute einzig und allein auf der Vorstellung, er sei mit seiner Idee gescheitert, aus Friedrichstadt ein zweites Hamburg aufzubauen. Oder noch besser: Den Hanseaten den Rang abzulaufen. Das passt gut ins Bild, denn unternehmerisches Scheitern verzeiht man in Deutschland einem Menschen nicht. Einfach die Füße hochzulegen ist jedoch kein Problem.

 

Friedrichstadt, das Werk eines Versagers? Nun, zumindest wäre er schön gescheitert (Ralf Grötker, brand eins, 2006, schön gescheitert).

 

Es gibt auch eine andere Sichtweise auf die Motivation zur Gründung von Friedrichstadt, welche deutlich plausibler ist. Nachzulesen ist diese in einem Aufsatz von Jörn Norden: Legenden und Wirklichkeit.

 

Die Feierlichkeiten rund um „400 Jahre Friedrichstadt“ mögen vielleicht auch dazu anregen,  sich mit dem Thema etwas vertiefter zu beschäftigen. Wir legen Ihnen die Lektüre des wirklich spannend geschriebenen Aufsatzes ans Herz.

Europa im Aufruhr

Dass es am Ende nicht mehr geworden ist, kann man Friedrich III. und seinen Getreuen kaum anlasten. Die politischen Verhältnisse – der Streit des spanischen Hofes mit den abtrünnigen Niederländern an vorderster Stelle – der 30jährige Krieg und die diverseren kriegerischen Machtspiele danach, ließen das wohl nicht mehr zu. Trotzdem ist das Erreichte aus damaliger Sicht durchaus respektabel. Es ist nicht zu vermuten, dass man sich im 17. Jahrhundert anmaßte, sich allen Ernstes mit Hamburg oder den niederländischen Handelsstädten zu messen.

Ohne Zweifel erlebte Schleswig-Holstein-Gottorf mit Friedrich III. an der Spitze, allen Schwierigkeiten zum Trotz, seinen Höhepunkt. Allerdings war dieser Höhenflug gleichzeitig auch der Anfang vom Ende, bzw. es endete mit dem Absturz des Fürstenhauses in die Bedeutungslosigkeit. Das lag allerdings weitgehend außerhalb des Einflussbereiches des Herzogs.

Der Dreißigjährige Krieg

Heiliges Römisches Reich 400 Jahre Friedrichstadt

Autor: Ziegelbrenner

Nicht nur das Herzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf war im 17. Jahrhundert ein einziger Flickenteppich. Die Beschreibung trifft auf ganz Europa zu. Auch das Heilige Römische Reich hatte keine einheitliche Struktur. Die Macht des Kaisers war beschränkt und stützte sich auf eine Vielzahl größerer und kleinerer Reiche. Diese fragile Ordnung war durch die Reformation und die Gegenreformation ins Wanken geraten.

Die Folge waren zahllose kleinere und ein großer Krieg, welche in der Summe (im Verhältnis zur Bevölkerungszahl) mehr Opfer forderten als der erste und zweite Weltkrieg zusammen.

Nichts weist darauf hin, dass Friedrich III. versucht hätte, in diesen Kriegen irgendeine aktive Rolle zu spielen. Das Herzogtum profitierte gerade von einer beispiellosen Friedensperiode, welche es sogar unnötig machte, ein stehendes Heer zu unterhalten. Ein Krieg kam da äußerst ungelegen. Die Festlegung auf eine Seite der Kriegführenden erst recht.

Aber egal, ob das Herzogtum nun an den Konflikten beteiligt war oder nicht, sie hatten massive Einflüsse auf dessen Entwicklung. Etwa, weil sich der Standort Friedrichstadt nicht frei entwickeln konnte, da die Spanier nichts unversucht ließen, die abtrünnigen niederländischen Provinzen zu bestrafen, bzw. wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen.

Oder ganz konkret, als der eine Lehnherr (Christian IV.) mit dem andern (Ferdinand II.) in den Krieg zog und das Herzogtum damit mit ins Verderben zog.

Als die Schweden mit den Dänen und die Dänen mit den Schweden um die Macht an der Nordsee kämpften. Friedrich III. versuchte so lange wie möglich, sich neutral zu verhalten, nutzte dann aber die Chance sich mit Hilfe der Schweden von der Lehensherrschaft der Dänen zu befreien. Ein Vorgang, welcher das Verhältnis zum familiär verbundenen Nachbarn auf Dauer belastete und am Ende zum besagten Niedergang des Herzogtums führte, weil das dänische Königshaus in den Gottorfern keine verlässlichen Bündnisgetreuen mehr erkennen konnten und deshalb keine Skrupel kannten, 1713 Schleswig erst zu besetzen und 1721 ganz ins Königreich einzugliedern. Hundert Jahre nach seiner Gründung war Friedrichstadt somit dänisch.

Was ist von Friedrich III. geblieben?

Wie groß der gestalterische Freiraum von Friedrich III. in diesen Fragen war und wie es gekommen wäre, wenn er sich für die bedingungslose Loyalität zu den Dänen entschieden hätte, wird man niemals erfahren. Sieht man den Verlauf der Geschichte an, dürften die Tage des Herzogtums so oder so gezählt gewesen sein. Die Kleinstaaterei befand sich schon damals auf dem Rückzug,  und das Gebiet zwischen dem Königreich Dänemark und dem Heiligen Römischen Reich spielte hierbei keine große Rolle.

Friedrich III. also daran zu messen, was aus dem Herzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf geworden ist, wäre unfair. Richten wir unser Auge deshalb auf jene Dinge, welche er tatsächlich gestaltet hat und die bis heute sichtbare Spuren hinterlassen:

Da wäre zum einen natürlich seine Stadt, deren Gründung sich im Jahr 2021 zum 400. Mal jährt.

Seine größten Werke hat er allerdings in der Kunst, der Kultur und der Wissenschaft hinterlassen. Bereichen, denen er zeitlebens viel Gewicht beigemessen hat. Am deutlichsten sichtbar wird dies in Kiel, am Standort der einzigen Volluniversität des Landes. Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel wurde zwar im Jahre 1665 von Friedrichs Nachfolger Christian Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorf gegründet. Doch das war mehr oder weniger ein formeller Akt. Die Hauptarbeit hatte zuvor schon sein Vater erledigt, als er das notwendige kaiserliche Privileg erhielt. Einzig der Krieg mit den Dänen verhinderte, dass er heute als Gründer genannt wird.

 

Die hier verwendeten Bilder unterstehen der Lizens gemäss: GNU_Free_Documentation_License