400 Jahre Friedrichstadt

12. Wallenstein – des Königs General

Der 30jährige Krieg brachte großes Leid über Europa. Rund ein Drittel der Bevölkerung soll ihm auf deutschen Boden zum Opfer gefallen sein. Aber nur der kleinste Teil davon starb als Folge kriegerischer Handlungen. Der größte Teil der Opfer starb als Folge von Hunger und Krankheit. Direkt oder indirekt verantwortlich für diese schreckliche Entwicklung war ein Mann, den wir heute als Wallenstein kennen.

Der Name Wallenstein dürfte den meisten Menschen bekannt sein. Seine Berühmtheit verdankt er dem Dichterfürsten Schiller, welcher ihm eine Dramen-Trilogie gewidmet hat. Dieses literarische Werk prägt das Bild, welches in der Bevölkerung von Wallenstein herrscht. Dieses Bild hat entsprechend so viel oder so wenig mit der Realität zu tun, wie die gängige Geschichtserzählung zu Friedrichstadt.

Wer war Wallenstein?

Der Böhme wurde am 24. September 1583 als Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein, tschechisch Albrecht Václav Eusebius z Valdštejna, geboren. Erst viel später, als er zum General des Kaisers ernannt wurde, hat er sich Wallenstein genannt. Zu Wallenstein wurde er erst mit Schiller.

Gestorben ist er am 25. Februar 1634. Zum Zeitpunkt seines Todes war er einer der mächtigsten Menschen des Kontinents. Objektiv betrachtet, ist das ziemlich erstaunlich, denn bei seiner Geburt wies nichts darauf hin, dass er diesen Weg gehen würde. Ja nicht einmal, dass er dazu die Gelegenheit haben würde.

Tatsächlich gehörte der junge Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein zwar dem Adel an, doch sein Geschlecht zählte zum eher unbedeutenden böhmischen Landadel. Der frühzeitige Tod seiner Eltern und die Tatsache, dass er das Erbe zu gleichen Teilen mit seinen beiden Schwestern teilen musste, verbesserten seine Chancen, eine bedeutende Persönlichkeit der Zeigeschichte zu werden, auch nicht gerade.

Außerdem machte der frühe Wallenstein nicht den Eindruck, als besäße er den Ehrgeiz, eine solche Position anzustreben. Von seinen wenigen Studienjahren blieben zumindest nur die zahlreichen Raufereien in Erinnerung. Auch seine militärische Laufbahn erschien zu Beginn eher weniger vielversprechend. Wenn man davon absieht, dass er sich bei seinen Einsätzen sehr wagemutig gezeigt hat.

Eine Konversion mit Folgen

Genau diese militärische Laufbahn war es aber, welche den Wendepunkt darstellte. Als Wallenstein nämlich als Schildknappe in die Dienste des Markgrafen Karl von Burgau trat, wechselte er die religiösen Fronten. Eine opportunistische Geste, denn der Markgraf war ein überzeugter Katholik.

Die Konversion sollte vermutlich seiner Karriere einen Schub verleihen. Sie tat es in gewisser Weise auch. Allerdings nicht in der Weise, wie er es sich vielleicht gedacht hat.

Sein Übertritt zum Katholizismus machte ihn nämlich in den Augen des Jesuiten Veit Pachta zu einem idealen Gatten der steinreichen Witwe Lukretia von Witschkow. Deshalb vermittelte er die Hochzeit der beiden. Nicht, weil ihm das Glück der beiden am Herzen gelegen hätte. Nein, er wollte verhindern, dass das riesige Vermögen der Dame durch eine unpassende Heirat in die Hände eines Ungläubigen, also eines Anhängers der reformierten Kirche gelangte.

Und jetzt befinden wir uns am Wendepunkt der Geschichte Wallensteins und der eigentlichen Botschaft dieses Beitrags.

Wallenstein war auf einen Schlag schwer vermögend. Das kam ihm sehr gelegen, denn er war ein Protzer und Poser, welcher das Leben zu genießen wusste. Er genoss es aber nicht nur, sondern er zeigte es auch. 99 von 100 Typen wie er hätten es dabei belassen und das Vermögen so gut es eben ging verprasst. Nicht aber Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein.

In dem Moment, da er die Mittel besaß, zeigte sich, aus welchem Holz er geschnitzt war. Jetzt reifte er zu einer Unternehmerpersönlichkeit, welche ihn groß, mächtig und damit zu Wallenstein werden ließ.

Wenn Sie mehr über den chronologischen Ablauf seines Aufstieges wissen möchten, empfehle ich Ihnen folgende Beiträge (und im Anschluss dieses Beitrages ein Buch zur Lektüre).

 

zeit.de/zeit-geschichte/

www.dreissigjähriger-krieg.de

 

Hier geht es darum, die Mechanik hinter seinem Aufstieg zu beleuchten und zu zeigen, welchen Einfluss sein Geschäftsmodell auf die Entwicklung von Friedrichstadt hatte.

Wer mit Erdnüsschen zahlt…

Es gibt da diese Redewendung: Wer mit Erdnüssen bezahlt, wird von Affen bedient. Stammt nicht von Wallenstein, doch dieser hat das Prinzip dahinter fraglos verstanden. Ihm war klar, dass seine neu gewonnenen Ländereien in Mähren nur dann einen überdurchschnittlichen Ertrag abwerfen würden, wenn es seinen Leuten gut ging. Deshalb entlastete er sie von Frondiensten und gab ihnen zusätzliche Rechte, wie etwa das Recht, Holz schlagen oder Fischen zu dürfen.

Und siehe da: Der Erfolg gab ihm recht. Er blieb nicht nur reich, sondern wurde immer reicher. Trotz seines Hangs den Luxus zu leben.

Frühzeitig setzte er auf die Karte Erzherzog Ferdinand, zeigte sich großzügig und loyal, wo andere knauserten und sich drückten. Und als aus dem Erzherzog Ferdinand ein Kaiser Ferdinand II. wurde, spielte es keine Rolle mehr, dass er im beginnenden 30jährigen Krieg beinahe sein gesamtes Vermögen an die böhmischen Aufständischen verloren hatte. Er war nun in Wien und ganz oben angekommen.

Des Kaisers General

Wallenstein 30jähriger Krieg 400 Jahre FriedrichstadtWallenstein machte in den Diensten des Kaisers Karriere und sorgte mit dafür, dass die verloren gegangenen Ostgebiete wieder weitgehend zurückgewonnen werden konnten. Nicht zu seinem Nachteil, krallte er sich doch in der Folge die Grundherrschaft über Friedland (1622).

Der 30jährige Krieg ging in sein achtes Jahr. Der Kaiser war militärisch und finanziell bereits deutlich angeschlagen, als der Dänenkönig Christian IV. in den Konflikt eingriff. Jetzt kam die große Stunde Wallensteins, als er dem Kaiser anbot, auf eigene Rechnung ein Heer von 20.000 Mann aufzustellen, um sich dem dänischen König und dem Niedersächsischen Reichskreis entgegenzustellen.

Auf die Frage des Kaisers, ob er eine Armee von 20.000 Mann tatsächlich finanzieren könne, antwortete er: 20.000 nicht, wohl aber 50.000.

Klingt auf den ersten Blick absurd, ist es aber nicht. Wie in seiner Funktion als Landesherr, dachte Wallenstein unternehmerisch. Es war ihm bewusst, dass es nicht ausreichen würde, eine Armee aufzustellen und diese zu bewaffnen. Eine solch große Truppe musste unterhalten, versorgt und bei Laune gehalten werden, um ihre ganze Macht ausspielen zu können. Deshalb verzichtete er auf die Erdnüsschen, sorgte für die beste Bezahlung, einen pünktlichen Sold und für volle Mägen.

Finanzierung und Logistik

Für ihn war klar, was die Grundlage seines Erfolges sein würde, und er machte sie deshalb zur Chefsache: Finanzierung und Logistik. Denn nur wenn dieses Fundament trägt, da war er sich sicher, würde er auch seine Schlachten effizient führen und gewinnen können.

Doch dem Kaiser und dem Reich fehlten die dazu notwendigen Mittel. Sie konnten sich eine professionelle, moderne Armee im Grunde gar nicht leisten. Deshalb führte der Kriegsunternehmer Wallenstein eine neue Form der Kriegsfinanzierung ein: Die Kontribution.

Für die besetzten Gebiete bedeutete dies, dass sie für die Kosten und die Versorgung des Heeres aufkommen mussten. Das bedeutete eine Zäsur in der Geschichte der Kriegsführung. Zwar kam es natürlich schon vorher zu Plünderungen und Brandschatzungen, wenn feindliche Truppen ein Gebiet in Besitz nahmen. Aber unter Wallenstein wurden diese weitgehend unterbunden und durch eine systematische „Abgabelast“ ersetzt. Eine solche durchzusetzen war mit 50.000 Mann deutlich einfacher als mit 20.000. Daher die Antwort Wallensteins an die Adresse des Kaisers.

Das Verderben im Schatten Wallensteins

Das System funktionierte und fand danach viele Nachahmer. Für die betroffenen Gebiete hatte (und hat) diese Form der Kriegsfinanzierung eine verheerende Wirkung. Sie blutete die besetzten Regionen buchstäblich aus. Die Folge war, dass die abgeführten Lebensmittel fehlten, um die Bevölkerung zu ernähren. Hungersnöte durchzogen das Land, die Wirtschaft kollabierte und eine unvorstellbare Zahl an Menschen starb an Hunger und grassierenden Seuchen.

Hunger und Krankheit waren es, welche für den überwiegenden Hauptteil der Todesopfer des 30jährigen Krieges verantwortlich waren. Einer der Hauptverantwortlichen dieses Elendes war der Kriegsunternehmer Wallenstein.

Auf Dauer konnte diese Strategie deshalb nicht aufgehen. Bei allen Bemühungen des Generals, seine Truppen zu versorgen und durch regelmäßige Soldzahlungen bei Laune zu halten, kam es immer wieder zu Engpässen, die er aus seiner eigenen Tasche zu überbrücken hatte. Vom Reich, dem es an allen Ecken und Enden an Geld fehlte, kam kaum Unterstützung. So muss davon ausgegangen werden, dass die Besetzung neuer Gebiete immer auch dem Zweck diente, die Löcher, welche man zurückgelassen hat, durch neue Quellen zu stopfen. Entsprechend wütete der Krieg wie ein Flächenbrand und hinterließ eine schreckliche Spur der Verwüstung.

Die heimlichen Kriegsgewinnler im Norden

Schon der 80jährige Krieg zwischen den Spaniern und den abtrünnigen niederländischen Provinzen, aber auch die Anfänge des 30jährigen Krieges hatten dafür gesorgt, dass die von Kriegswirren verschont gebliebenen Nordgebiete einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebten. Gerade die Agrarüberschüsse des Herzogtum Schleswig-Holstein Gottorf waren unter diesen Bedingungen gefragte Güter.

Als der Krieg durch den Eintritt seines Lehnsherrn Christian IV., König von Dänemark und Norwegen, näher rückte, dürfte es dem Herzog Friedrich III. angst und bange geworden sein. Denn natürlich hatten die Geschichten über die Entwicklung im Süden auch an seinem Hof die Runde gemacht.

Es war zudem gerade eine der herausragenden Eigenschaften von Herzog Friedrich III. dass er sich nicht als Kriegsherr verstand, sondern seine Ziele durch vorausschauendes Handeln, kluges Taktieren und Verhandeln erreichen wollte. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass er versucht hat, sich um jeden Preis aus dem Konflikt herauszuhalten. Zumal er in einem Loyalitätskonflikt stand, weil sich an der Front nun der Lehnsherr im Norden (Schleswig -> Christian IV.) und der Lehnsherr im Süden (Holstein -> Kaiser Ferdinand II.) gegenüberstanden.

Christinan IV. bringt den Krieg in den Norden

Wallenstein und Tilly entschieden den Kampf in der Schlacht bei Lutter am Barenberge am 17. August 1626 zu Gunsten des Kaisers. Herzog Friedrich III. versuchte noch, das Schlimmste für sein Gebiet zu verhindern und bot den kaiserlichen Truppen Friedrichstadt als Stützpunkt an, um die drohenden Folgen einer Kontribution abzuwenden. Doch diese lehnten dankend ab.

Zwar soll Wallenstein sich mit dem Gedanken getragen haben, Friedrichstadt als militärischen Hafen zu nutzen, doch dazu kam es nicht. Die kaiserlichen Truppen besetzten die Herzogtümer im Norden. Mit all den Folgen, welche man bereits im Süden des Landes gesehen hatten.

Die Besetzung dauerte zwei Jahre. Im Frieden von Lübeck 1629 erhielt Herzog Friedrich III. seine Ländereien wieder zurück. Die Truppen Tillys und Wallenstein zogen ab, um sich dem Schwedenkönig und seiner Armee entgegenzuwerfen.

Der Anfang vom Ende der Gottorfer

Der Krieg warf Schleswig-Holstein-Gottorf um Jahrzehnte zurück. Die Wohlstandsgewinne der Vergangenheit, basierend auf einer langen Zeit des Friedens, waren dahin. Die Möglichkeiten des Herzogs, sein Projekt in Friedrichstadt weiter zu fördern, stark reduziert.

Vor allem aber hinterließen die Versuche von Friedrich III. sein Gebiet aus den kriegerischen Handlungen herauszuhalten, ein tiefes Zerwürfnis zwischen ihm und seinem Lehnsherrn und Vetter auf dem dänischen Thron. Fortan war deren Verhältnis durch Misstrauen geprägt, und das war im Kern der Anfang vom Ende des Herrschaftshauses Schleswig-Holstein-Gottorf.

Das Drama Wallenstein

Aber auch für Wallenstein ging die Geschichte schlussendlich nicht gut aus. Denn sein Erfolg wurde von den alten Familien argwöhnisch beobachtet. Ihnen war der Aufsteiger nicht geheuer. Vor allem wurde er ihnen zu mächtig und sie fürchteten, dank seines Vermögens und seiner überlegenen Armee könnte er das Gleichgewicht im Reich nachhaltig zu seinen Gunsten verändern.

Es ist in diesem Zusammenhang geradezu absurd, dass schlussendlich der Versuch Wallensteins, dem Gemetzel und Leiden durch (unautorisierte) Geheimverhandlungen ein friedliches Ende zu bereiten, zu dessen Verhängnis wurde.

Wallenstein 30jähriger Krieg 400 Jahre Friedrichstadt

Die Ermordung Wallensteins

Er wurde des Hochverrates beschuldigt, des Amtes enthoben, verfolgt und ermordet. Er starb am 25. Februar 1634. Genau genommen hat aber genau dieser barbarische Akt dazu geführt, dass er zwar getötet wurde, dabei aber seine Zeit bis zum heutigen Tag überlebt hat. Als Drama.

Der Krieg dauerte derweil weitere 14 Jahre.

 

Wallenstein: Sein Leben erzählt von Golo Mann

Über Wallenstein gibt es zahllose Bücher. Das bekannteste Werk stammt natürlich von Friedrich Schiller, erhebt aber nicht den Anspruch eine Biografie zu sein. Einmal ganz abgesehen davon, dass dieses Genre im 18. Jahrhundert noch nicht en vogue war, folgt das Werk mehr dramaturgischen Linien als den tatsächlichen Geschehnissen.

Einen anderen Weg beschreitet Golo Mann. Sein 1971 erschienenes Buch gilt als literarisches Meisterwerk. Mann beschreibt Wirken und Sterben des Protagonisten, basierend auf den jahrzehntelangen Recherchen des Autors. Dabei verwendet er die Mittel eines Romans, um die Zeit, das Leben und die Geschehnisse zu beschreiben. Kein anderer Autor beschreibt Wallenstein einfühlender und hinreißender.